Digitalisierung – das Wort ist inzwischen überall. Doch wie gelingt die erfolgreiche Digitalisierung im Verlag?
Steuerungsfaktoren für die gelungene digitale Transformation: New Work und verändertes Kaufverhalten erfordern angepasste Abläufe im Verlag und kürzere Reaktionszeiten. Lesen Sie hier die umfassende Version unseres unlängst im Börsenblatt erschienenen Artikels.
Wir sprechen heute mit Rainer Heckmann, CEO von GRÜN NTX und GRÜN EDDY, zwei Software-Unternehmen mit Sitz in Endingen und Berlin. Die Unternehmen unterstützen Verlage mit Consulting, Softwarelösungen und IT-Dienstleistungen und gelten seit Jahrzehnten als zuverlässige Partner für namhafte Verlags-, Medienhäuser und Corporate Publisher im deutschsprachigen Raum.
Herr Heckmann, Sie sind ein Digitalisierungsexperte. Welche Faktoren machen Digitalisierung besonders wichtig?
Rainer Heckmann: Digitalisierung betrifft alle Unternehmen, die mit einer grundlegend veränderten Erwartungshaltung ihrer Kunden konfrontiert sind. Besonders die Coronakrise hat diese Änderungen vorangetrieben. Entscheidend ist, um die Bedeutung von Digitalisierung zu begreifen, dass es sich um einen aktiven und kontinuierlichen Prozess handelt. Digitalisierung als aktive Reaktion auf externe Triebkräfte bringt für Unternehmen vor allem Änderungen in den internen Strukturen mit sich. Das ist spannend! Man sollte auch nicht glauben, dass die „Digitalisierung“ irgendwann abgeschlossen ist (was der Begriff „digitale Transformation“ leider suggeriert). Dann versteht man, dass Digitalisierung eine Aufgabe ist, die Unternehmen, von außen immer wieder neu angestoßen, dauerhaft erfüllen müssen.
Sie haben bei unserem Vorgespräch die Pandemie als „Brandbeschleuniger der Digitalisierung“ bezeichnet. Können Sie bitte genauer erklären, was sie darunter verstehen?
Rainer Heckmann: Zum einen hat es durch die Pandemie beträchtliche Veränderungen in Unternehmen gegeben. Home-Office Plätze wurden eingerichtet und die Zusammenarbeit erfolgt über Kommunikationswerkzeuge wie Teams und Zoom. Das hat es davor in diesem Umfang gar nicht gegeben. Und das Kaufverhalten hat sich geändert. Es wurde viel mehr online eingekauft und viele Menschen werden künftig dabei bleiben. Umso mehr zählt das Kundenerlebnis online, also wie gut ist der Webshop, wie einfach ist er zu bedienen, wie kann ich bezahlen, was für Rückgabemöglichkeiten habe ich?
Digitalisierung als Notwendigkeit also? Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Kunden, Verlags- und Medienhäuser, aktuell in Bezug auf Digitalisierung?
Rainer Heckmann: Bleiben wir beispielhaft beim Online-Geschäft. Die eigene Website samt Webshop ist und bleibt ein ganz wichtiges Verkaufswerkzeug. Über alle Altersgruppen hinweg überwiegt laut einer KPMG-Studie der Kauf via Websites mit 74%, und der verlagseigene Webshop genießt hohes Vertrauen bei Kunden. Dort kaufen die Leute – nach Online-Marktplätzen – am liebsten ein, daher sollte darauf der Fokus gesetzt werden. Damit Kunden den Online-Shop nicht nur besuchen, sondern auch etwas kaufen, gilt es einige Klippen zu umschiffen, die Kunden vom Kauf abhalten können. Zu hohe Versandkosten sind ein Problem, ein anderes ist, nicht die gewünschten Bezahlmöglichkeiten anzubieten. Und ein ganz zentraler Aspekt ist, dass Kunden nicht lange auf ihre Ware warten wollen. Um diese Kaufhindernisse zu eliminieren, müssen Website, Webshop und Warenwirtschaftssystem integriert und aufeinander abgestimmt sein, um die notwendigen internen Prozesse im Verlag überhaupt zu ermöglichen.
Können Sie kurz beschreiben, wie der generelle Ablauf in so einer Wertschöpfungskette aussieht?
Rainer Heckmann: Natürlich. Basis sind die Stammdaten – das, was das Geschäft letztendlich ausmacht. Kundeninformationen, Lieferanteninformationen, Produktinformationen und ganz wesentlich Transaktionsinformationen. Wem habe ich was, wann verkauft. Auf diesen Stammdaten setzen alle Systeme auf, die ein Verlag verwendet. Auch NTX und EDDY, unsere Systeme für Verlage. Stammdaten sind ein wesentlicher Wert eines Unternehmens, auf deren Basis über Systeme bestimmte Dienste oder Services, zum Beispiel der Online-Verkauf eines Buchs, angeboten werden. Der ganze Geschäftsbetrieb beruht auf Stammdaten, Systemen und Services, und daraus formt sich die Customer Experience. Bildhaft gesagt sind Stammdaten die Energie und die Warenwirtschaft der Motor für das Geschäft.
Welche Rolle haben Ihre Unternehmen GRÜN NTX und GRÜN EDDY an dieser Stelle für Ihre Kunden?
Rainer Heckmann: Genau betrachtet, hat Digitalisierung zwei Aspekte: Sie betrifft Objekte und Prozesse. In der Verlagsbranche sind wir bei der Digitalisierung von Objekten längst unterwegs – E-Bücher und Hörbücher sind beispielsweise selbstverständlich. Die Digitalisierung von Prozessen bleibt allerdings eine Herausforderung. Hier geht es nun darum, die Wertschöpfungskette weitgehend zu automatisieren. Was ein System, basierend auf Daten, erledigen kann, braucht ein Mensch nicht mehr zu tun, und es geht schneller. Ohne Digitalisierung können, um im Beispiel zu bleiben, Online-Bestellungen nicht schnell genug verarbeitet und das Lieferversprechen nicht eingehalten werden. Bei der Digitalisierung von Abläufen helfen wir unseren Kunden nicht nur mit einer auf Branchenstandards aufgebauten Verlagssoftware, sondern innerhalb unserer Unternehmensgruppe, der GRÜN Software Group, auch mit übergreifenden Lösungen wie Webshops oder Portalen, die wir zusammen mit Schwesterfirmen wie der Digitalagentur giftGRÜN realisieren.
Das heißt, Digitalisierung ist Dreh- und Angelpunkt für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen?
Rainer Heckmann: Ganz genau. Alle Prozesse von Inhaltsherstellung über Marketing, Vertrieb und Kaufabwicklung bis zur Lieferung müssen durchgehend digital integriert sein. So bieten Verlage eine überzeugende Customer Experience und damit kommt der wirtschaftliche Erfolg.